Zeitungsartikel: über die Beratungsstelle
Bericht vom 07.06.2011
Beratungsstelle als größte Hilfestellung für Blinde und Sehbehinderte im Kreis
Bocholt. (nrk) Seit Mitte Februar gib es in der Schwartzstraße 4 eine Beratungsstelle des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bocholt-Borken. Die beiden Vorsitzenden Joachim Dargegen und Dedo Rexwinkel erklären welche Hilfe dort angeboten wird und was sonst vom Verein für Mitglieder und andere Betroffene organisiert und veranstaltet wird.
Das Büro der Beratungsstelle befindet sich direkt neben dem Gemeindehaus hinter der Christus Kirche, welche an der Münsterstraße liegt. Über den Hof gibt es einen barrierefreien Zugang zu den neuen Räumlichkeiten des Blinden- und Sehbehindertenvereins (BSV) Bocholt-Borken. Dieser ist eine Bezirksgruppe des BSV Westfalen e.V., welcher sich seit 1949 um die Belange von Blinden und seit 1998 auch um die von Sehbehinderten kümmert. In der neuen Beratungsstelle kümmern sich jeden Dienstag von 14 bis 17 Uhr neben dem Vereinsvorsitzenden Joachim Dargegen und dem stellvertretenden Vorsitzenden Dedo Rexwinkel auch Irmgard Giesing und Gisela Resing um Fragen und Angelegenheiten der die Beratungsstelle aufsuchenden Leute. Im Zentrum des Zimmers stehen Tische und Stühle. Dahinter befindet sich eine kleine Arbeitsecke mit einem Computer, samt Lautsprecher und Scanner, sowie einem Bildschirmlesegerät. Dedo Rexwinkel ist bereits vor zwei Uhr im Büro und stellt erst einmal den Computer für sich passend ein. Er ist 55 Jahre alt und seine dunkle Brille fällt gleich auf. Er erklärt, dass er helles Licht schlecht verträgt und seine Brille das blaue Licht in oranges umwandelt, welches er dann besser verträgt. Aus diesem Grund kann er am besten weise Schrift auf schwarzem Hintergrund lesen. Bei seiner Kollegin ist dies genau umgekehrt, was auch schon eine Problematik der Sehbehinderung zeigt. Eine solche liegt gewöhnlich vor, wenn 2jemand nur noch zwischen 5 und 30 Prozent Sehschärfe auf dem besseren Auge hat. Rexwinkel hat weniger als fünf aber mehr als zwei Prozent, weshalb hier von einer hochgradigen Sehbehinderung gesprochen wird. Joachim Dargegen wiederum ist komplett blind. Von Blindheit wird bei maximal zwei Prozent Sehschärfe oder auch einem Gesichtsfeld von unter fünf Grad, sowie vergleichbaren Augenerkrankungen, gesprochen.
Rexwinkel und Dargegen sind beide schon über 15 Jahre in ihren Ämtern tätig und verfügen so über viele Kontakte und eine Menge Wissen was beispielsweise Hilfsmittel und staatliche Leistungen angeht. Die Beratungsstelle, deren Miete und Hälfte der Einrichtungsgegenstände von der Ostermann Stiftung übernommen wird, ist zwar vom BSV Bocholt-Borken eingerichtet worden, aber sie richtet sich in erster Linie an Nicht-Mitglieder. Denn Vereinsmitglieder haben durch die Aktivitäten im und mit dem Verein bereits genügend Möglichkeiten des Austauschs, die sie dann dementsprechend wahrnehmen. Insgesamt gibt es 76 Mitglieder, welche fast aus dem ganzen Kreis Borken stammen, da sich die Bezirksgruppe über diesen Bereich erstreckt. „In diesem Gebiet gibt es aber eintausend Blinde und Sehbehinderte“, erklärt Dargegen die Notwendigkeit mehr in der Öffentlichkeit präsent zu sein und gerade für Nicht-Mitglieder Hilfen anzubieten. Die Arbeit des Vereins hat sich innerhalb der letzten Jahre stark ausgeweitet, aber immer noch gibt es Betroffene die nichts von den Aktivitäten des Vereins mitbekommen haben. In die Beratungsstelle kommen dann meist Leute die bereits stark erblindet sind oder denen der Sehverlust bald droht. Häufig kommen auch die Enkel oder Kinder der Betroffenen, da sich diese nicht trauen und gerade die über siebzigjährigen besonders von Augenerkrankungen betroffen sind. Hier kommen dann häufig neben der Augen- noch andere Erkrankungen und Behinderungen hinzu.
Die Fragen und Anliegen der Besucher der Beratungsstelle sind genauso breit gefächert wie die Hilfen, welche dann Angeboten werden können. Es kann um ganz direkte Lebenshilfe gehen, dass jemand erblindet ist und nun sein Leben zügig umstellen will, um weiterhin in seinem Rahmen selbständig bleiben zu können oder dass der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Den Betroffenen wird dann bei den Anträgen geholfen, später vielleicht bei den Widersprüchen gegen unrichtige Bescheide. Es wird erklärt welche staatlichen Leistungen beispielsweise an eine Feststellung der Schwerbehinderung geknüpft sind. So kann man beispielsweise von der Rundfunkgebühr befreit werden oder die Nahverkehrsmittel umsonst nutzen. Sehr wichtig für viele ist aber auch die Beratung bezüglich von Hilfsmitteln. So hat der Verein neben einem Computer mit Sprachausgabe und entsprechender Software eben auch ein Bildschirmlesegerät, welches Schriftstücke bis zu 45-fach vergrößert auf einem Bildschirm darstellt und so auch beim Ausfüllen von Formularen helfen kann. Ganz neu ist der Pen-Friend. Er ist etwas größer als ein Kugelschreiber und sieht ansonsten aus wie ein Mikrofon. Hierzu gehören noch spezielle Aufkleber, welche dann von dem Pen-Friend erkannt werden können. So kleben diese Aufkleber zum Beispiel im Büro neben einzelnen Fächern mit Formularen und Broschüren und indem man mit dem Pen-Friend auf den Aufkleber zeigt, gibt dieser wieder was man unter dem Aufkleber als Tonaufzeichnung abgespeichert hat. So weis man im konkreten Fall, dass sich hier zum Beispiel ein Antragsformular für die Schwerbehinderung befindet, aber im Haushalt kann so über den Inhalt einer Dose oder eines Glases Auskunft eingeholt werden. Für den Einkauf gibt es ein Lesegerät von Barcodes, allerdings liegt der Preis hier bei 3.000 Euro. Da die Hilfsmittel sehr unterschiedlich sind und bei den Sehbehinderungen auch die unterschiedlichsten Formen auftreten ist es sehr wichtig sich zuvor gut zu informieren. Da es kein spezielles Geschäft in Bocholt und Umgebung gibt, ist der Blinden- und Sehbehindertenverein häufig die einzige, zumindest aber die erste Anlaufstelle. Hier kann man dann auch erfahren welche Hilfsmittel von der Krankenkasse gestellt werden müssen und welche man sich selber anschaffen muss. Zu letzteren zählt beispielsweise eine sprechende Haushaltswaage, welche gut viermal soviel kostet wie eine gewöhnliche. Als selber Betroffene können Dargegen, Rexwinkel und ihre beiden Kolleginnen meist auch helfen den Sachbearbeitern der Krankenkassen begreifbar zu machen, welchen Nutzen ein bestimmtes Gerät für die Erkrankten hat, insbesondere dann wenn die Krankenkasse die Kostenübernahme verweigert. Die Hilfsmittel kosten teilweise beträchtliche Summen, aber sie können das Alltagsleben auch erheblich erleichtern.
Im Großen und Ganzen hat die technische Entwicklung auf lange Sicht gesehen das Leben für Blinde und Sehbehinderte stark vereinfacht, erklärt Dargegen, aber die rasante Weiterentwicklung in immer kürzeren Abständen stellt sich eher als ein Hindernis dar. So ist der Computer ein wirklicher Fortschritt gewesen und vor allem Programme die Texte einscannen und diese dann per Sprachausgabe wiedergeben können. Allerdings kann mit einer speziellen Software-Entwicklung für Blinde immer erst dann begonnen werden, wenn das ursprüngliche Programm schon überwiegend fehlerfrei läuft. Dies hat zur Folge, dass Programme für Blinde meist erst dann erscheinen, wenn das Originalprogramm schon wieder abgelöst wird. Hier ist es weniger das Problem auf dem neuesten Stand zu sein als vielmehr Soft- und Hardware zu haben welche aufeinander abgestimmt ist und deshalb einwandfrei funktioniert.
Eine andere Schwierigkeit in Bocholt ist vor allem, dass nur wenige Ampeln blindengerecht umgerüstet wurden. Hier will man natürlich die öffentlichen Kassen nicht unnötig belasten, indem an Kreuzungen, die keiner gebraucht, ein entsprechendes Signal installiert wird, aber man möchte doch zumindest in der Nähe der Wohnungen und Arbeitsstätten von Betroffenen solche Hilfen haben. Darüber hinaus bemüht man sich auf den überregionalen Bussen eine Sprachansage der Stationen durchzusetzen, wie dies in den Bussen für den Stadtverkehr bereits üblich ist. Als weitere größere Idee steht die Einrichtung einer Sportstätte für Behinderte im Raum. Hierbei soll den Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen, also nicht nur mit Augenkrankheiten, die Möglichkeit geboten werden einmal wöchentlich Sport zu treiben und auch ein Sportabzeichen zu machen. Speziell für Blinde überlegt man eine Tischtennisplatte zu besorgen, welche links und rechts Außenwände hat, nach oben hin eine Beschränkung, so dass stets flach gespielt werden muss und bei der der mit einer Klingel versehene Ball beim Gegner in ein Netz in der Mitte der gegnerischen Seite gespielt werden muss.
Bereits zum Standardprogramm des BSV Bocholt-Borken gehören neben Kaffeeklatsch, Grillen oder Hilfsmittelausstellungen auch das Kartenspielen und Kegeln. Seit einiger Zeit gibt es nun auch in Isselburg eine Schießanlage für Blinde. Als nächste Veranstaltung in diesem Jahr findet für Sonntag den 19. Juni eine Blinden-Tandem-Tour durch die Umgebung statt. Sie beginnt am Parkplatz am Aasee, direkt neben dem DLRG-Heim am Badestrand und endet auch dort wieder. Neben diesen einmal jährlich stattfindenden Touren macht die Tandem-Gruppe auch immer wieder spontan Fahrten durch die Umgebung. Wer sich für die Veranstaltungen des Vereins interessiert oder mit der Beratungsstelle Kontakt aufnehmen will, der kann dies telefonisch unter 02871-2379979 machen oder per Mail an bocholt-borken@bsvw.de. Wichtig ist es vor allem Betroffene auf diese Möglichkeiten hinzuweisen.